Doktor in Jura
Von 1859 bis 1864 studiert Léon Dehon in Paris Jura. In den Schilderungen seines Studiums wird der sich erinnernde Dehon nicht müde, dieses Studium als eine Art aufgezwungenes Durchgangsstudium auf dem Weg zum Priesterberuf zu beschreiben:
"Meine Vorlieben lagen anderswo. Ungeduldig erwartete ich das Ende des Studiums." (NHV II/62v); "Mein Geschmack war es nicht. Ich brachte mein Jurastudium zu Ende um meinen Vater zufrieden zu stellen und erwartete seine Erlaubnis um nach Rom zu gehen." (NHV II/20r); "Allzu stark spürte ich, dass das Jurastudium für mich lediglich eine Zwischenstation war, meine Sympathien lagen woanders." (NHV I/39v)
Dennoch waren diese fünf Jahre alles andere als ein großes Opfer für ihn: Monatelange Reisen, eine neue Qualität kultureller Bildung, das Erleben des in Aufbruch befindlichen Pariser studentischen Katholizismus - Léon Dehon genoss die Möglichkeiten des studentischen Lebens.
Selbst dem Jurastudium gewinnt er zahlreiche gute Seiten ab: "Das Jurastudium mag kleine Nachteile haben, im Ganzen aber ist es der geistigen Entwicklung sehr förderlich." (NHV I/40r) Eine für Dehon typische Einordnung des Rechtswesens folgt unmittelbar: "Das Recht ist ein Zweig der Moral, es beruht auf der Philosophie... Die Methode, der man folgt [im Rechtswesen] fördert die Vernunft, den Scharfsinn und die Urteilskraft." (NHV I/40v)
Mit Blick auf Dehons weitere Entwicklung stellt Robert Prélot fest, dass das Jurastudium ihn "jene Klarheit und Genauigkeit seines Denkens [hat] erwerben und vervollkommnen lassen, die seine Reden und Schriften auszeichnen werden." (Prélot, L’oeuvre sociale du chanoine Dehon, S. 27)
Am 22. November 1862 legt Dehon den Advokateneid ab und beginnt ein Praktikum in einer Anwaltskanzlei. Gleichzeitig bereitet er seine Doktoratsexamen (Juli 1863) und seine Doktorarbeit (über Bürgschafts- und Kautionsrecht) vor, die er im März 1864 verteidigen soll. Beim ersten Versuch jedoch fällt Dehon durch die Prüfung - seiner Meinung nach, weil der Sohn eines von ihm kritisierten Autors in der Prüfungskommission saß. Er verschweigt den Misserfolg seinen Eltern, und einen Monat später, am 2. April 1864, verteidigt er erneut seine Doktorarbeit - diesmal mit Erfolg. "... am zweiten April war alles vorbei. Ich war Doktor. Es war eine wichtige Etappe in meinem Leben. Ich hatte meinem Vater versprochen, bis zu diesem Abschluss zu kommen. Ich konnte nun hoffen, dass er mir erlaubte, meiner Berufung zu folgen." (NHV II/66r)