Am Mont Blanc - mehr
Im Alter von knapp 70 (!) Jahren sehen wir auf dem Bild P. Dehon im Mont-Blanc-Massiv im Eismeer bei Chamonix (ca. 9. August 1912). Er, der zu Beginn seiner Kaplanszeit in St. Quentin (ab 1871) seinem Spiritual P. Freyd ganz leidenschaftslos schreibt, er sei überzeugt von seinem baldigen Tod; er, von dem die Mitbewohner in La Capelle anlässlich seiner Primiz mutmaßen, dass dieser junge Priester es wohl nicht mehr auf viele Messen bringt; er, der tatsächlich immer wieder von Krankheiten heimgesucht wird; er, der zwei Jahrzehnte vor seinem Tod immer wieder verlauten lässt, es sei nun wohl schnell vorbei mit ihm - dieser P. Dehon steht im Alter von 69 Jahren am Mont Blanc. Die Krankheiten von P. Dehon und seine Vitalität sind ein ganz eigenes, kaum untersuchtes Thema.
Zurück zur Fotografie: An Dehon's Seite sehen wir P. Adriane Joannes a Coenaculo Guillaume, auf den P. Dehon mit Blick auf die Leitung der Kongregation große Hoffnung gesetzt hatte, der aber als Rektor von Louvain bereits im Jahre 1915 im Alter von 29 Jahren stirbt:
"Er war begabt, sehr kultiviert, sehr tugendhaft. Ich habe sehr mit ihm gerechnet. Er ist einer von jenen, die mich am besten verstanden und die unser Werk [Kongregation] in dem Geist hätten erhalten können, den ich ihm habe geben wollen. Gott nimmt ihn mir, fiat!" (NQT XXXVIII/1915, 58)
Im August 1912 verbringt Dehon seine Ferien zusammen mit P. Guillaume, auch um dessen durch die Überlastung angegriffene Gesundheit wiederherzustellen. Der für Dehon typische Einleitungssatz zu diesen Ferien: "Einige Wallfahrten mit P. Guillaume. Das ist die beste Art von Urlaub, er tut Seele und Leib gut." (NQT XXXIV/1912, 108)
Um den 9. August herum entsteht die Fotografie:
"Am Abend des 9.8. Chamonix. Die großartige Natur erzählt von Gott wie die christliche Kunst oder das Gedächtnis der Heiligen. Les Bossons! Le Mont Blanc! La Mer de glace! Wir hatten ausreichend klares Wetter. Les Bossons gehen vom Mont Blanc herab wie Wasserfälle aus Eis. Sie sind zweifellos die größten Gletscher Europas. Mit der Drahtseilbahn gelange ich zum Eismeer. 1864 stieg ich dort zusammen mit meinem Bruder auf dem Rücken eines Maultieres hoch. Das war vor fast 50 Jahren." (NQT XXXIV/1912, 120f.)
1864 war P. Dehon zum ersten Mal in die Schweiz gereist, damals mit Bruder Henri und Schwägerin Laure auf deren Hochzeitsreise. Unzählige Male danach hat er die Schweiz gesehen, sei es auf dem Weg nach Rom, sei es - wie im Jahr 1912 - im Rahmen seines Urlaubs oder wie im August 1903 zur Kur.
Wie auf allen Reisen interessieren ihn auch in der Schweiz vor allem die Natur und die christliche Kunst und Geschichte. Zwischendurch jedoch gibt es Kommentare zu zahlreichen anderen Themen, so z.B. auch zum Tourismus:
"Luzern wie auch Interlaken kann man in der Saison kaum noch betreten. Zu viele Menschen, zu viel Eleganz, zu viele Engländer. Der Grund ist der große Charme Luzerns: eine herrliche Stadt, ein unvergleichlicher See, Berge, die mit der Kabinenbahn erklommen werden, historische Erinnerungen. Die Reichen der Welt können dort einige schöne Tage verbringen." (NQT XVIII/1903, 82)